Das Jahr 1975 ist ein außergewöhnliches in den Musikzug-Annalen: Gründung der Majoretten, Umbenennung des Spielmanns- in Musikzug, 1. Marktplatzfest und – als Krönung – Teilnahme an der Steuben Parade in New York.
107 Hirschauer, unter ihnen 65 aktive Spielleute, flogen am 18. September zu der größten Musikparade der USA über den großen Teich. Sie findet seit 1958 alle Jahre am dritten September-Samstag auf der Fifth Avenue in New York zum Gedenken an den deutschen General Freiherr von Steuben statt. Er wurde unter Oberbefehl George Washingtons zum Helden des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges. Die Parade 1975 war die bis dahin größte, galt sie doch als Auftakt zu den Feiern, die die deutschstämmigen Amerikaner zum 200. Geburtstag der Vereinigten Staaten durchführen. Der Hirschauer Musikzug hatte am 20. September 1975 die Ehre, den Paradezug mit über 14 000 Teilnehmern anzuführen. Mit der Steuben Parade zeigen die deutschstämmigen Amerikaner – alleine in New York Cityleben ca. 500 000 – mit Festwagen und Gruppen, welche Verdienste sich die deutschen Einwanderer um die Gründung der USA erworben haben. Zugleich soll damit die gute Verbindung zwischen der „neuen“ und „alten“ Heimat zum Ausdruck kommen. Daher laden die Organisatoren auch Gruppen aus der „alten“ Heimat ein. 1975 gehörte auch der Musikzug dazu. Ein Vertreter des Organisationskomitees hatte die Hirschauer bei einem Auftritt gesehen und die Einladung veranlasst.
Nach mehrmonatiger Vorbereitung machte sich der Musikzug mit seinem Boss Sepp Uschold und begleitet von Bürgermeister Willi Bösl auf die Überseereise. Damit das Unternehmen für die Teilnehmer finanziell gestemmt werden konnte, hatte man das 1. Marktplatzfest durchgeführt und bei verschiedenen Stellen mit Erfolg um Finanzspritzen gebeten. So konnte man dem Reisepreis von ursprünglich 1025 DM auf 860 DM/Person drücken. Der spätere Musikzug-Vorstand Werner Stein erinnert sich: „Sogar der Bayerische Ministerpräsident Alfons Goppel hatte 500 DM locker gemacht. “Für die meisten Teilnehmer, von denen einige noch im Kindesalter waren, war die Reise mit der Boing 707 der erste große Flug.
So mancher Mitreisende erinnert sich an die Aufregung, mit der man die Zeremonien auf dem Flugplatz München-Riem und auf dem Kennedy-Airport über sich ergehen ließ. Die Hirschauer wurden genau gefilzt. Besondere Probleme hatten Bürgermeister Bösl und der jüngste Mitreisende Heinz Bergmann. Das Stadtoberhaupt musste wegen seiner Armprothese nochmals durch das Kontrollgerät. Den kleinen Musikus hielt man zunächst für einen Ausreißer. Nach dem elfeinhalbstündigen Flug erfolgte am Kennedy-Airport die offizielle Begrüßung durch den Vizepräsidenten des „German American Comitee of Greater New York“ George Pape.
Willi Bösl dankte für den herzlichen Empfang und überreichte Dr. Seuffert ein Präsent der Stadt und des Landkreises.
Als Gegengeschenk erhielt er den „Goldenen Schlüssel der Stadt New York“ als Anstecknadel. Den freien Nachmittag nutzten die Hirschauer zum Besuch des Empire State Buildings und des UN-Gebäudes bzw. zu einem Stadtrundflug. Absoluter Höhepunkt der Reise war die Teilnahme an der Steuben Parade. Der Musikzug hatte die Ehre den farbenprächtigen Zug mit über 14 000 Marschteilnehmern anzuführen. Hunderte von Musikkapellen und Spielmannszügen wechselten in bunter Folge mit Festwägen, Volks- und Trachtengruppen. Den Mittelpunkt bildeten historische Darstellungen auf Festwägen und in Gruppen, die vor allem die Pionierzeit der deutschen Einwanderer zeigten. Aus der Bundesrepublik waren rund 30 Folklore-Gruppen, Musikzüge und Kapellen mit von der Partie. Die Hirschauer erlebten einen großen, aber auch schweren Tag, dauerte dieParade doch gute viereinhalb Stunden. Hunderttausende säumten die Straßen. Die Haupttribüne befand sich an der 5. Avenue. Ehrengast war der Bayerische Wirtschaftsminister Anton Jaumann. Die Hirschauer in ihrer schmucken Landsknechtstracht ernteten auf der ganzen Strecke stürmischen Beifall für ihr flottes Spiel. Heidi Scharl: „Die Avenues waren sooo breit. Das Marschieren war für mich gar nicht so einfach. Die Abstände zwischen den Musikern waren recht groß. Ich hatte damals noch sehr kurze Beine. Da war es für mich schwierig mitzuhalten. Alles war einfach aufregend!“ Anschließend wurden die Hirschauer von der 17. Division der New Yorker Feuerwehr, deren Chef aus Göttingen stammte, eingeladen. Während des feuchtfröhlichen Zusammenseins musste der Musikzug immer wieder aufspielen, da der Feuerwehrchef zu gerne deutsche Marsch- und Heimatlieder hören wollte. Die Feuerwehr erwies sich als guter Gastgeber. Zum Abschied gab es für Bürgermeister Bösl den Feuerwehr-Ehrenhut. Der Besuch des Musikzuges war zugleich Anlass für ein Heimattreffen in Amerika lebender ehemaliger Hirschauer. Dazu waren auch Karl Meier und Christian Leikermoser mit seiner aus Gebenbach stammenden Frau eigens von Kanada nach Ney York geflogen.
Vielen Dank an dieser Stelle an Werner Schulz für den tollen Bericht, der im September 2020 in der Amberger Zeitung erschienen ist. Die Bilder sind aus unserem Archiv.